Corona gibt sich neoliberal

Coronamüde gewesen. Die Phase, in der es eigentlich nur noch nervt, ständig von Corona zu hören und über Corona zu denken. Sinnhaftigkeit von Maßnahmen bezweifelt, ganz sicher nicht bei 35 Grad mit Maske. Dafür war das Virus gnädig und hat sich rechtzeitig zum Beginn der Tourismussaison zurückgezogen, damit Strände und Stände wieder gefüllt werden können. Auf eigene Gefahr, versteht sich.

Maßnahmen werden zurückgenommen, doch Angst und Misstrauen hinterlassen Rückstände in der Psyche. Jederzeit abrufbar, wenn coronaähnliche Situationen auftreten, egal welcher couleur. Schnell kann das Gegenüber wieder zur möglichen Bedrohung werden. Ein gewisses Misstrauen wird zur Grundhaltung in sozialen Kontakten und Abstandhalten zur sozialen Verantwortung.

Man geht nicht mehr einfach so zu einem Treffen wo viele Leute zu erwarten sind, die nah beieinander stehen, wie das früher ganz normal war. Gedanken schieben sich dazwischen, wer wird dort sein, wie sehr wird auf den Abstand geachtet, sollte ich sicherheitshalber nicht doch eine Maske tragen.

Themenwechsel. Seit über drei Jahrzehnten ist ein Prozess der gesellschaftlichen Spaltung und sozialen Entbettung in Gang. Solidargemeinschaften wurden zerstört, Gewerkschaften gezielt zerschlagen, öffentliche Sozialleistungen wo immer möglich privatisiert. Sozialstaatliche Einrichtungen, als Ausdruck und Institutionalisierung gesellschaftlichen Zusammenhalts, wurden unter der Supralogik der Gewinnmaximierung ausgeräuchert, Arbeits- und Lebenswelten großflächig dieser Logik unterworfen. Bis hin zur Einzelperson, die zur selbstoptimierten Ich-AG modelliert und durchökonomisiert wieder ausgespuckt wurde. Jeder gegen jeden und ich gegen alle. Ja, ich schaffe das.

Diese diffizilen Spaltungen durch alle Bereiche und Lebenswelten werden nun von anderer Seite im mikro-gesellschaftlichen Bereich vollendet. Jede und jeder kann zum Gefährder werden, im schlimmsten Fall bis zum Tod. Und wenn es nur ein flüchtiger Gedanke ist, der gleich wieder verweht, das Grundmisstrauen, dass jede andere Person ein Feind sein könnte, ist nicht mehr aus der Welt zu bringen. Zumal man auch völlig symptomfrei Überträger sein kann. Damit scheint Corona das jahrzehntelange Tagewerk des Neoliberalismus im Mikro-Bereich der Gesellschaft mit Bravour zu vollenden. Mehr geht nicht. Jede und jeder könnte Feind sein. Aufbau von Solidargemeinschaften? Danke nein. Abstand halten ist angesagt.

Stephan

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